Mit ihren zwei letzten Romanen “Das Lied des Achill” und “Ich bin Circe” hat die Autorin Madeline Miller für viel Aufsehen gesorgt – zu Recht! Mit Circe hatte ich so viel Unterhaltung auf einer intellektuellen, interessanten und aufschlussreichen Ebene, dass ich mich aktuell davor scheue, Achill zu lesen. Was ist, wenn es mir nicht gefällt?
Nun kam eine Erzählung von ihr heraus über Galatea, aber nicht die Galatea, die ihr womöglich kennt. Nicht die Nereide Galatea, nicht die Tochter des Eurytios – nein. Der Name wurde hier der Frau von Pygmalion vergeben, bzw. der Elfenbeinstatue, in die er sich verliebte.
Und diese romantische Geschichte über Pygmalion hat sie aufgegriffen. Ich schreibe hier bewusst “romantisch”, denn so könnte man den Mythos zuerst vermeintlich sehen. Der Bildhauer Pygmalion, bitter enttäuscht von Frauen und bekannt als “Frauenfeind”, formt sich eine Elfenbeinstatue. Diese Statue sieht aus wie eine echte Frau und er verliebt sich in sie. Die Göttin der Liebe Venus erfüllt ihm seinen Wunsch (“seine künftige Frau möge, wie die Statue sein”) und erweckt die Figur zum Leben. Mit ihr bekommt er eine Tochter und das Glück scheint doch perfekt zu sein, oder?
Und an der Stelle fängt Madeline Miller an zu erzählen. Sie gibt dieser Frau einen Namen: Galatea und schreibt über eine Frau, die in einer Ehe gefangen ist. Ihr Mann steigert sich immer weiter in seine Obsession der perfekten Frau hinein, will sie vermeintlich schützen und nimmt ihr vollends ihre Identität. Eingesperrt und von ihrem Mann missbraucht, fängt sie jedoch an, sich zu wehren.
Viel mehr möchte ich der Interpretation und Analyse von Miller über die Beziehung der beiden nicht vorwegnehmen. Nur so viel lässt sich sagen: In einer kurzen Erzählung, die sich schnell lesen lässt, schafft es die Autorin einem alten Mythos eine ganz neue Sichtweise zu geben und der Elfenbeinstatue nach all der Zeit eine Stimme, wie auch einen Namen. Brillant geschrieben! Und was man hier nicht vergessen darf, es ist sehr schön von Thomke Meyer illustriert.
Das Buch bewerte ich mit:
Hallo Ani,
ich habe bisher nur Achill und noch nicht Circe von Müller gelesen und besprochen und fand es gut – schon allein, weil man den mythologischen Figuren durch die Verarbeitung als Romanstoff viel näher kommt. Im Anschluss konnte ich auch mit Kassandra von Christa Wolf (das viele als Schullektüre ganz scheußlich fanden) vielmehr anfangen und es insbesondere wegen des völlig gegensätzlichen Blickes auf Achill genießen.
Galatea erinnert mich sofort, vermutlich wegen des Statuenmotivs, an den Roman “Piranesi”, auch, wenn sonst wohl kein Zusammenhang zu bestehen scheint. Ich merke es mir auf jeden Fall vor; die feministischen Anklänge interessieren mich sehr.
Viele Grüße
Jana