Rouge von Mona Awad

Und da habe ich es wieder getan und ein Buch von Mona Awad in die Hand genommen … und was soll ich sagen? Es war besser, aber auch ähnlich.

In Rouge widmet sich Mona Awad erneut einem zentralen Thema weiblicher Erfahrung – diesmal geht es um das Verhältnis von Frauen zu Schönheit, Selbstbild und den Erwartungen, die sie seit Generationen begleiten. Das Ergebnis ist ein ebenso verstörender wie fesselnder Horrortrip, der tief unter die Oberfläche geht – wortwörtlich und metaphorisch.

Die Hauptfigur Belle kehrt nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter in ihre Heimat zurück und gerät dabei in den Bann eines mysteriösen Schönheitsinstituts. Was als satirische Kritik an der Kosmetikindustrie beginnt, verwandelt sich schnell in einen surrealen Albtraum über die Zerbrechlichkeit der eigenen Identität. Wie in Bunny verliert Awads Heldin zunehmend den Halt an der Realität – und genau hier entfaltet die Autorin ihre erzählerische Stärke.

Awads Sprache ist zugleich poetisch, grotesk und überdreht – immer nah am Wahnsinn, aber nie wahllos. Sie entwirft eine ästhetische Welt voller Spiegel, Masken, ätherischer Schönheiten und flüsternder Schatten, in der die Grenze zwischen Schönheitskult und Kult im religiösen Sinn verschwindet. Rouge ist ein Märchen – aber eines, das durch säuregetränkte Seide gesponnen ist.

Die Kritik an patriarchalen Schönheitsidealen bleibt dabei nicht abstrakt: Awad zeigt, wie internalisierte Ansprüche Mütter und Töchter trennen, wie weibliche Körper permanent bewertet und geformt werden sollen, und wie tief diese Zwänge in unser Begehren und unsere Selbstliebe eingreifen. Dabei ist Belle keine klassische Heldin. Sie ist unzuverlässig, widersprüchlich und oft passiv – aber gerade das macht sie menschlich und greifbar.

Im Vergleich zu Bunny, wirkt Rouge klarer und zugänglicher, auch wenn es ähnlich wilde narrative Schleifen schlägt. Awad balanciert diesmal gekonnter zwischen absurdem Horror, psychologischer Tiefe und gesellschaftlicher Analyse. Dass manche Nebenfiguren überzeichnet wirken, passt zum surrealen Ton des Buches – auch wenn es gelegentlich den Lesefluss stört.

Rouge ist nicht immer angenehm zu lesen, manchmal abgründig, manchmal absurd – aber gerade deshalb absolut lesenswert. Wer sich auf Awads eigenwillige Erzählweise einlässt, wird mit einem Roman belohnt, der lange nachwirkt. Ein Buch, das man vielleicht nicht lieben, aber auf jeden Fall gelesen haben sollte.

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