Manche Bücher sind wie ein stiller Nachmittag im Halbschatten: langsam, warm, atmosphärisch – und dabei so fein komponiert, dass man jede Seite wie ein Stück Musik genießen möchte. Das Haus der Türen ist genau so ein Buch.
Tan Twan Eng erzählt die Geschichte von Lesley Hamlyn, einer Frau der britischen Kolonialgesellschaft im Malaysia der 1920er Jahre. Ihr Leben ist geprägt von einer äußeren Fassade und inneren Zerrissenheit, da trifft sie den Schriftsteller Somerset Maugham – ein alter Freund ihres Ehemanns. In abendlichen Gesprächen im Garten beginnt Lesley, ihm ihre Geschichte zu erzählen: eine Geschichte von politischem Idealismus, verbotener Liebe und den engen Grenzen, in denen Frauen damals lebten. Und wir, die Lesenden, sitzen mit im Garten, hören zu, spüren die Hitze und das Rauschen der Palmen – und tauchen dabei immer tiefer in Lesleys Erinnerungen ein.
Der Schreibstil hat mich sofort in seinen Bann gezogen: poetisch, aber nie überladen – elegant, klar und melancholisch. So etwas finde ich selten. Ich wollte gar nicht zu schnell lesen, wollte die Sätze auskosten. So sehr hat mich der Stil begeistert, dass ich gleich nachgesehen habe, was die Übersetzerin Michaela Grabinger noch so gemacht hat. Zu meiner Freude standen einige ihrer Übersetzungen ohnehin schon lange auf meiner Wunschliste – jetzt weiß ich, dass ich sie mir bald genauer ansehen werde.
Das Haus der Türen ist kein Roman, der sich eilig lesen lässt. Es ist ein leises, vielschichtiges Werk, das seine Geheimnisse Stück für Stück preisgibt. Das Tempo ist anfangs gemächlich – fast ein Viertel des Buches wird dem atmosphärischen Aufbau von Ort und Zeit gewidmet. Aber wie beim Betreten eines alten Hauses mit vielen Türen wird man langsam, aber sicher hineingezogen. Und hinter jeder Tür wartet ein neues Fragment – Erinnerung, Verlust, Ideale, verborgene Liebe.
Besonders spannend fand ich, wie historische Figuren wie Sun Yat-Sen oder Maugham selbst in die Handlung verwoben sind. Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen dabei. Auch die Symbolik – etwa des titelgebenden Hauses – ist fein gezeichnet: Ein Ort mit vielen Türen, aber keinem direkten Weg. Ganz wie Lesleys Geschichte selbst.
Ein kleiner Wermutstropfen: Einige Begriffe – wie etwa „Shophouses“ – waren mir zunächst nicht geläufig. Oft war es bereichernd, sie nachzuschlagen. Aber manchmal hätte ich mir doch eine kurze Fußnote gewünscht, um nicht aus dem Lesefluss gerissen zu werden. Das Buch hat so einige Post-Its drinnen mit Erklärungen.
Ein stiller, wunderschön geschriebener Roman über Erinnerung, Verlust und den Mut, das eigene Leben zu hinterfragen – getragen von einem Sprachstil, den man genießen muss wie einen langsamen Sonnenuntergang. Für alle, die Atmosphäre und Zwischentöne mehr schätzen als Tempo und Plot-Twists. Ein Buch, das nachhallt und das ich sehr gerne in meine Sammlung stelle.
