Ein Roman wie ein Gruppenchat voller Sehnsucht, Stärke und Solidarität
Was für ein wunderbarer Roman. Hello Baby ist kein lauter, dramatischer Titel – und trotzdem hallt er lange nach.
Kim Eui-kyung erzählt die Geschichten mehrerer Frauen, die sich alle in einer südkoreanischen Kinderwunschklinik begegnen – nicht im Wartezimmer, sondern über einen Gruppenchat. Was sie verbindet, ist der Wunsch nach einem Kind. Doch wie unterschiedlich dieser Wunsch aussehen kann, wie individuell jeder Weg, jede Hoffnung, jedes Scheitern ist – das zeigt die Autorin mit beeindruckender Klarheit und viel Einfühlungsvermögen.
Wir erleben die ganze Bandbreite:
Frauen, deren Partner kaum befruchtungsfähige Spermien haben. Frauen, die vorsorgen und Eizellen einfrieren. Andere, die nach unzähligen Versuchen mit hormonellen Behandlungen kämpfen – und eine, die bereits Kinder hat und sich trotzdem alles andere als “angekommen” fühlt.
Was diese Frauen teilen, ist nicht nur der Ort, an dem sie medizinische Hilfe suchen. Es ist der Druck von außen, die Leere innen, das ständige Kreisen um Zyklus, Chancen und Scheitern. Es ist der gesellschaftliche Blick auf Frauen, die „noch keine Kinder haben“ – und die implizite Erwartung, dass man eben “alles dafür tun muss”.
Mich hat der Roman auf mehreren Ebenen berührt:
Zum einen ist da der klare, unaufgeregte Schreibstil, der dennoch tief trifft. Jede Perspektive ist präzise und glaubhaft gezeichnet – nichts wirkt überzogen oder gekünstelt. Zum anderen war es die Ehrlichkeit, mit der Kim Eui-kyung die realen Schattenseiten von Kinderwunschbehandlungen zeigt: körperlich, emotional, gesellschaftlich. Und das, ohne zu verurteilen oder zu dramatisieren.
Besonders stark fand ich den Aspekt, dass nicht nur der unerfüllte Wunsch thematisiert wird, sondern auch, was danach kommt: das Muttersein, das eben nicht nur Glück bedeutet. Auch diese Stimme bekommt Raum. Und sie zeigt deutlich: Frau sein ist nie einfach – egal, ob mit oder ohne Kind.
Für Frauen mit Kinderwunsch kann dieser Roman eine stille Begleiterin sein, eine Stimme, die Verständnis schenkt. Für andere vielleicht ein Trigger – denn das Thema ist sensibel, schmerzhaft, sehr persönlich. Für mich war es vor allem ein eindrucksvoller Einblick in die Welt der Kinderwunschkliniken – und in die besondere Situation in Südkorea, wo der gesellschaftliche Druck auf Frauen besonders groß ist.
Kim Eui-kyung, selbst betroffen, lässt ihre eigene Erfahrung spürbar in den Text einfließen – ohne ihn zu dominieren. Dadurch wirkt der Roman authentisch und sehr nahbar.
Am Ende bleibt das Gefühl, Teil dieser Gruppe gewesen zu sein – und ein tiefer Respekt für jede einzelne dieser Geschichten.
