Mit “Ein letztes Geschenk” legt Calla Henkel einen Thriller vor, der die moderne Kunstszene New Yorks in den Fokus rückt und eine spannende Wendung ins True-Crime-Genre bietet. Im Mittelpunkt steht die Künstlerin Esther Ray, die aus Geldnot den Auftrag einer wohlhabenden Auftraggeberin, Naomi Duncan, annimmt. Esthers Aufgabe: die Gestaltung eines Scrapbooks, das Naomis Ehemann zum sechzigsten Geburtstag überraschen soll. Doch was als kreatives Nebenprojekt beginnt, entwickelt sich bald zu einer düsteren Entdeckungsreise, als Naomi plötzlich unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt. Getrieben von ihrer Neugierde – und vielleicht auch von ihrem eigenen True-Crime-Faible – gerät Esther in einen gefährlichen Strudel von Geheimnissen und Lügen.
Der Roman besticht durch eine ungewöhnliche Protagonistin, die als moderne Künstlerin nicht nur gut in die New Yorker Szene passt, sondern auch durch ihre Leidenschaft für True Crime eine spannende Meta-Ebene ins Spiel bringt. Die Spannung wächst langsam, aber stetig, und durch Henkels modernen Schreibstil und die gezielt eingesetzten Beschreibungen fühlt sich die Geschichte aktuell und lebendig an. Man merkt, dass die Autorin einen genauen Blick auf das gesellschaftliche Milieu richtet, in dem sich die Handlung entfaltet, und dabei nicht nur die Oberfläche, sondern auch die Ambivalenzen und Schattenseiten dieses Lebensstils zeigt.
Obwohl das Buch faszinierend aufgebaut ist und immer wieder kleine Überraschungen bietet, braucht es etwas Geduld, um vollends hineinzufinden. Doch sobald die Geschichte Fahrt aufnimmt, entwickelt sie einen Sog, der die Lesenden bis zum Schluss fesselt. Ein Kritikpunkt ist jedoch das Ende: Während die Geschichte in Teilen unkonventionell und erfrischend wirkt, bleibt das Finale überraschend simpel und löst den Spannungsbogen auf eine Weise, die etwas zu vorhersehbar erscheint. Da hätte man sich eine pfiffigere, cleverere Lösung gewünscht, um der Spannung bis zuletzt gerecht zu werden.
Insgesamt ist “Ein letztes Geschenk” ein ungewöhnlicher Thriller, der gerade durch seinen künstlerischen Hintergrund und die moderne Perspektive überzeugt. Für Fans von atmosphärischen, psychologisch geprägten Krimis, die das gesellschaftliche Umfeld der Figuren genauso spannend finden wie das eigentliche Verbrechen, ist dieses Buch ein echter Geheimtipp. Ein etwas „anderer“ Thriller, der gerade deswegen seine Stärken entfaltet, auch wenn er zum Ende hin etwas an Raffinesse einbüßt.