Institut für gute Mütter von Jessamine Chen

Der Roman “Institut für gute Mütter” zeigt eine beklemmende Version, vor der man Angst hat, sie wird real.

Die Dystopie von Jessamine Chen ist ein Szenario, das beängstigend realistisch wirkt.
Wir haben hier als Protagonistin eine überforderte Mutter, Frida. Nach einem wirklich schlechten Tag, begeht Frida einen unheimlich großen Fehler. Sie lässt ihre kleine Tochter kurz zu Hause und aus “kurz” werden über zwei Stunden … Die Polizei wartet auf sie. Frida wird für ein Jahr verurteilt, eine Schule für Mütter zu besuchen mit Regeln, die man sich gar nicht vorstellen kann und sehr fraglichen Ansätzen.
Es hat gut 130 Seiten gebraucht, bis wir zu dem spannenden Punkt, dem Institut kommen. Davor war es eine Anreihung von Frust, Entsetzen und Wut über das, was mit der Protagonistin passiert und bangen, dass es besser wird.

Chens’ Beschreibungen sind oft ausführlich und realistisch, was es leicht macht, sich in diese düstere Zukunft hineinzuversetzen. Denn düster ist dieses Institut allemal. Die Vorstellung einer Welt, in der Mütter in eine Schule geschickt werden, um zu lernen, was es bedeutet, eine “gute Mutter” zu sein, ist erschreckend und regt zum Nachdenken an. In ihrem Roman wird die Gesellschaft hier durchdrungen von rigiden Normen und Erwartungen, die die Individualität und die Freiheit der Frauen einschränken.

Das Institut setzt auf eine strenge Erziehungsmethode, die schwer die Psyche der vielen Frauen angreift. Es sind um die 200 Mütter mit unterschiedlichen und ähnlichen Vergehen, von Verletzung der Aufsichtspflicht bis hin zu Gewalt. Alle müssen den 1 jährigen Kurs durchhalten, um ihr Kind wiederzubekommen. Die Protagonistin ist mitreißend und ihre inneren Kämpfe machen sie zu einem glaubwürdigen Charakter. Ich konnte mich leicht in ihre Emotionen hineinversetzen und mit ihnen mitfühlen, während sie versuchten, in dieser unterdrückenden Umgebung ihren eigenen Weg zu finden, aber ich hätte gerne mehr über die anderen Frauen erfahren.

Auf dem Buchumschlag wird der Roman von Chen mit “Der Report der Magd” verglichen und ich finde, es geht stark in diese Richtung. Teilweise fühlte ich mich daran erinnert (in dystopischer Hinsicht) und andererseits fand ich die Handlung, oder besser gesagt, die Hintergründe, viel zu flach. Ich hätte mir gewünscht, dass bestimmte Aspekte der Handlung und der Schule noch weiter vertieft worden wären, um das volle Potenzial auszuschöpfen. Auch fehlte mir der typische große “Knall”, den man aus dystopischen Romanen so kennt.

Gerne hätte ich von diesem Buch eine Fortsetzung gehabt, ähnlich wie “Die Zeuginnen” von Atwood, um alles, was passiert ist, nochmal abzurunden und damit besser abschließen zu können.
Außerdem war das Tempo des Romans nicht so ganz einfach für mich. An einigen Stellen fühlte ich mich durch die Beschleunigung der Ereignisse überrumpelt (als wäre das Gesehen nicht so wichtig), während an anderen Stellen die Geschichte etwas ins Stocken geriet und mehr Spannung hätte aufbauen können.

Trotz der Kritikpunkte ist “Institut für gute Mütter” immer noch ein bemerkenswerter Roman, der wichtige gesellschaftliche Themen anspricht und den Leser zum Nachdenken anregt. Die Botschaft über die Bedeutung von Selbstbestimmung, Individualität und über das “Sein der Mutterschaft” bleibt nach der Lektüre noch lange im Gedächtnis.
Ein Roman für Fans von Atwood und Co., die sich gerne mit tiefgründigen Botschaften auseinandersetzen!

Das Buch bewerte ich mit:

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