Mit Das gelbe Haus gelingt Kawakami erneut ein eindringlicher, atmosphärisch dichter Roman, der Einblicke in ein Milieu bietet, das in der japanischen Literatur selten so ungeschönt thematisiert wird: die Welt gesellschaftlich marginalisierter Frauen, des Rotlichtviertels und der Yakuza.
Im Zentrum steht Hana, die in Armut aufwächst und früh Verantwortung übernimmt – so sehr, dass sie später nicht mehr zwischen Pflicht und Selbstaufgabe unterscheiden kann. Eine Nachricht über ihre frühere Bekannte Kimiko, angeklagt wegen Entführung und Erpressung, führt zurück in ihre gemeinsame Jugend im titelgebenden gelben Haus. Von hier entfaltet sich eine Geschichte zwischen Loyalität und moralischem Abgrund, in Nachtclubs und illegalen Geschäften Tokios. Und schon nach den ersten Seiten war ich gefesselt – die leise, fast unmerklich aufbauende Spannung war sofort spürbar.
Kawakami zeichnet komplexe Figuren mit feinem Gespür für Zwischentöne. Hana ist keine klassische Heldin, sondern eine zutiefst menschliche Figur mit nachvollziehbarem Dilemma. Die dunklen Seiten des Lebens im gelben Haus sickern subtil in den Text ein und man fiebert mit allen Bewohnern mit.
Einige japanische Begriffe und Bezeichnungen aus dem Milieu, die mir zunächst fremd waren, sind im Text gekennzeichnet und im Anhang erklärt – das fand ich sehr spannend und lehrreich.
Thematisch ist der Roman ein feministisches Werk, das zeigt, wie Armut, gesellschaftlicher Druck und männliche Dominanz Frauen prägen. Sprachlich verbindet die Autorin poetische Präzision mit nüchterner Direktheit (der japanische Schreibstil ist hier, meiner Meinung nach, wieder erkennbar), und Symbole wie die Farbe Gelb verstärken die Atmosphäre. Gleichzeitig ist die Geschichte auch eine zarte Found-Family-Erzählung, in der zwischen den Figuren ein Netz aus Fürsorge und Zugehörigkeit entsteht, das Hoffnung gibt.
Düster, berührend und authentisch – ein intensives Porträt der japanischen Schattenwelt und der Frauen, die in ihr bestehen müssen – selten aufgegriffene Themen und Einblicke!
