Blume Vollmond von Fang Fang

„Blume Vollmond“ ist mittlerweile das dritte Buch von Fang Fang, das ich gelesen habe – und wieder hat sie es geschafft, mich mit ihrer besonderen Erzählweise in eine ganz eigene Welt zu ziehen. Auch wenn der Roman mit weniger als 200 Seiten eher schmal wirkt, steckt in ihm eine erstaunliche Tiefe.

Im Mittelpunkt steht Hua Manyue, Tochter einer wohlhabenden Familie, die nichts lieber tut als Mah-Jongg zu spielen. Während die chinesische Gesellschaft 1948 im Chaos des Bürgerkriegs versinkt und ihre Eltern zur Flucht nach Taiwan gezwungen sind, bleibt Hua Manyue zurück – ausgerechnet, weil sie ihre 100 zugesagten Spielrunden beenden will. Diese scheinbar banale Sturheit markiert den Beginn eines radikalen Bruchs in ihrem Leben. Von der reichen Tochter wird sie zur mittellosen Frau, die sich eine neue Identität zulegen muss. Wang Vier, einst Kutscher der Familie, nimmt sie auf, und schließlich heiratet sie ihn sogar und bekommt einen Sohn. Doch ihr Herz hängt nirgends – nicht an der Familie, nicht am neuen Leben, sondern einzig an ihrem unerfüllten Versprechen, die Mah-Jongg-Partien zu vollenden.

Fang Fang erzählt diese Geschichte in einer Sprache, die eher nüchtern als emotional wirkt. Gerade dadurch entfaltet sich eine beklemmende Wirkung: Man spürt die Kälte einer Gesellschaft, die ihre Menschen verschlingt, und das Schicksal einer Frau, die innerlich leer wird, weil sie im Grunde alles verloren hat. Die Protagonistin ist keine Identifikationsfigur, im Gegenteil – ihre Selbstbezogenheit und ihr fehlendes Mitgefühl machen es schwer, Sympathie zu entwickeln. Und dennoch bleibt man an ihr hängen, weil sie etwas Essenzielles verkörpert: die Flucht in eine Obsession, wenn die Realität unerträglich wird.

Besonders spannend fand ich, wie Fang Fang den historischen Hintergrund nur anklingen lässt: die Bodenreform, die Kulturrevolution, die alltäglichen Drangsalierungen. All das bleibt Kulisse, während die Hauptfigur wie in einer Blase lebt. Gerade dadurch wirkt die Geschichte umso bitterer – weil man sieht, wie wenig Platz für individuelles Glück in dieser Zeit war und wie schnell Menschen aus der Oberschicht in völlige Bedeutungslosigkeit abrutschen konnten.

Mich hat der Roman nicht so wuchtig getroffen wie Weiches Begräbnis oder Wütendes Feuer, die stärker mit der Geschichte Chinas arbeiten. Aber „Blume Vollmond“ hat auf andere Weise Eindruck hinterlassen: über Verdrängung, Spielsucht und das Gefühl, im eigenen Leben kaum Handlungsspielraum zu haben. Dass Fang Fang in China mit Publikationsverbot belegt ist, macht den Text noch einmal bedeutungsvoller – man liest zwischen den Zeilen eine leise, aber deutliche Kritik am System.

Ein schmaler Roman mit viel Tiefe. Kein leichtes Buch, aber eines, das nachwirkt und Fragen offenlässt. Wer Fang Fang liest, sollte sich darauf einstellen, weniger Unterhaltung und mehr Nachdenken mitzunehmen. Und gerade das macht den Reiz aus bei ihr und weswegen ich sie immer wieder gerne lese. 

Und Lob an dieses wunderbare eindringliche Cover!

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Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

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