Die acht leben der Frau Mook von Lee

Mirinae Lees “Die acht Leben der Frau Mook”  ist ein ebenso erschütternder wie faszinierender Roman, der in Form miteinander verbundener Episoden die Lebensgeschichte der fast hundertjährigen Ms. Mook entfaltet. Den Rahmen allerdings bildet die Erzählung einer geschiedenen Frau, die in einem Pflegeheim arbeitet und die Aufgabe hat, Nachrufe für die Bewohner zu verfassen. Was zunächst wie eine nüchterne Pflicht erscheint, wird zu einer Reise durch das dramatische, wechselvolle Jahrhundert einer Frau, die sich immer wieder neu erfindet. Und ob auch alles stimmt?

Ms. Mook behauptet, in ihrem langen Leben acht Identitäten gelebt zu haben, unter anderem als Sklavin, Mutter, Mörderin, Spionin, Geliebte und mehr. Jede dieser Rollen wird in einer eigenen Episode erzählt, wobei die Geschichten weder chronologisch angeordnet sind noch immer aus ihrer direkten Perspektive stammen. So entsteht ein vielschichtiges Bild, das historische Realität, individuelle Erinnerung und mögliche Fantasie untrennbar verwebt. Sehr spannend, die am Ende alle zu verknüpfen.

Die Episoden greifen ineinander, enthüllen erst spät Verbindungen und eröffnen immer wieder neue Deutungen. Gerade die Passagen über Kriegsjahre, Besatzung, Gewalt und Ausbeutung sind schwer auszuhalten und führen die Leser tief in Koreas Geschichte, die in der Literatur noch immer viel zu selten aus weiblicher Perspektive erzählt wird. Besonders bewegend sind die Kapitel über das Schicksal der Trostfrauen, die durch Lees präzise Recherche und poetische Sprache eindringlich und unvergesslich werden.

Gleichzeitig bleibt Ms. Mook eine schillernde, manchmal unzuverlässige Erzählerin – ein Trickster, die mit ihren Identitäten spielt und sich nie völlig greifen lässt. Wahrheiten und Erfindungen verschwimmen, und gerade darin liegt die Stärke des Romans: Er zeigt, wie Erinnerung funktioniert, wie Geschichten Identität formen und wie Überleben oft nur durch das Erfinden neuer Rollen möglich ist. Ich habe es mit Begeisterung gelesen. 

Das Ende überrascht und schließt den Erzählkreis auf eindrucksvolle Weise. Trotz der Bitterkeit und Schwere vieler Episoden bleibt eine leise Hoffnung bestehen – ein Ausblick, der diesen Roman zu einer lohnenswerten Lektüre macht.

Ein kraftvolles, literarisch anspruchsvolles Werk, das zu Recht auf der Women’s Prize Longlist stand und viel Aufmerksamkeit verdient.

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Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.

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