Die zweite Schwestern von Chan Ho-Kei

Bei Kriminalromanen haben ich einen sehr eigenwilligen Geschmack, würde ich sagen. Es ist selten klassisch oder Mainstream und so bin ich auf den Krimi von Chan Ho-Kei gestoßen.
Bei dem Buch handelt es sich um einen Mix aus Detektivstory, Cyberthriller und Gesellschaftsroman.

Der chinesische Autor erzählt zunächst die Geschichte einer Familie, die vom Unglück gezeichnet ist und deren Kinder, zwei Töchter, früh zu Vollwaisen werden. Dabei gibt es viele Andeutungen zu Problemen in der Gesellschaft und das behält der Autor auch im Laufe des Buches bei. Was bedeutet, dass man schnell einen Blick für das derzeitige Hong Kong bekommt, wo der Roman spielt.
An der Stelle haben wir den Gesellschaftsroman über China und weiter geht es mit dem detektivischen Teil: Siu-Man beginnt Selbstmord zu Beginn des Buches und ihre Schwester Nga-Yee ist sich sicher, dass mehr hinter der Sache steckt und möchte Ermittlungen in die Wege leiten.
Ohne Beweise natürlich schwer, daher engagiert sie den Hacker N. So kommen wir zum Cyberthriller und einem sehr eigenwilligen “Helden”. Ein exzentrischer Einsiedler, der nur einen Fall annimmt, wenn er interessant genug ist. Und siehe da, er nimmt ihn an… und es stellt sich die Frage, was ist an einem vermutlichen Selbstmord so interessant?

Der Roman ist mit seinen fast 600 Seiten wahrlich nicht schlank und als ich es in den Händen hielt, hatte mich die Wucht zunächst auf Abstand gehalten. Als ich jedoch die ersten paar Kapitel gelesen hatte, war ich so tief in der Geschichte drinnen, dass die Seiten sich von selbst haben blättern lassen. Und auch wenn ich es mal zur Seite gelegt hatte, so musste ich immer wieder an die Charaktere denken. Ich wollte wissen, was das Geheimnis ist.
Der Clou an der Sache ist, immer wenn ich dachte “Ich weiß es, es ist so offensichtlich was hier passiert.”, kam eine Wendung. Immer wieder. Und wieder.
Daher packt einen das Buch, trotz vielen Seiten, unaufhörlich und kaum hat man sich versehen, ist man am Ende und hofft, dass der Autor doch bitte ein weiteres Buch über dieses Traumpaar schreibt.

Sprachlich gesehen ist der Kriminalroman hier ein Volltreffer (Übersetzerin: Sabine Längsfeld), da es leicht zu lesen ist, trotz allem ein gewisses Niveau zeigt und die Exkurse in die Cyberkriminalität waren interessant. Wobei ich da nicht immer sehr aufmerksam mitgelesen hatte. An sich waren sie sehr zugänglich geschrieben, der Autor gab sich viel Mühe, bzw. Ermittler N gab sich viel Mühe der unbedarften Nga-Yee, die Dinge zu erklären, die er tut. Mich interessierte das jedoch nur bis zu einen gewissen Grad. Womöglich könnte ich den Buch einen Punkt abziehen, weil die Erklärungen teilweise tief, aber das kann jemand anderen erst recht gefallen.

Neben der wendungsreichen Geschichte, waren die Charaktere ebenso aufregend, besonders unser zynischer Ermittler N. Ich konnte ihn mir schon nach wenigen Beschreibungen und Dialogen ganz genau vorstellen.
Der Autor zeichnet seine Figuren nämlich sehr treffend, sodass sich bei mir schnell ein Kopfkino abspielte. Es tauchen noch zahlreiche weitere Personen im Laufe der Handlung auf, die ebenso gut dargestellt werden und mit jeder Seite fühlt sich die Tragweite von Siu-Mans Selbstmord oder Mord?

Der Kriminalroman von Ho-Kei kommt auf jeden Fall zu meinen TOP 10 Büchern aus dem Jahr 2021 und ich freue mich schon auf weitere Bücher von ihm. Seinen anderen Roman “Das Auge von Hong Kong” habe ich schon bestellt!

Eine aufregende Detektivgeschichte mit modernen Hacker-Szenario aus dem lebendigen und dich besiedelten Hongkong. Ein eigenbrötlerischer Ermittler mit unglaublichen Fähigkeiten und eine Frau, die mit Technik wenig am Hut, aber das Herz am rechten Fleck und ihn ergänzt!
Gemixt wird alles mit einer guten Portion kritischen Gesellschaftsblick auf Hongkong, modernen Themen, Problemen und Ironie! Ein richtiger Genuss!

Das Buch bewerte ich mit:

3

2 Kommentare

  1. 9. Juli 2021 / 6:37

    Guten Morgen!
    Was du hier beschreibst, klingt auf jeden Fall wirklich nicht nach Mainstream, und auch für mich sehr intetessant. Ich habe für mich irgendwann festgestellt, dass ich zwar Bücher mag, die in Asien spielen, aber selten warm mit asiatischen – in meinem Fall hauptsächlich japanischen – Schreibstilen werde. Vllt sollte ich deiner Empfehlung folgen und einem chinesischen Autor eine Chance geben =)

    Alles Liebe!
    Gabriela

  2. 11. Juli 2021 / 13:40

    Das Buch ist vorgemerkt 😀
    Ab und an braucht man man so einen Krimi und die Szenerie hier, macht mich auf jeden Fall neugierig.

    Frage am Rande: Ist es Absicht, dass man keinen Header sieht? Hatte nur im Feedreader das Cover gesichtetet gehabt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert